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EXW Incoterms und Ort der Überprüfungspflichten
Anlass für diesen Aufsatz ist ein erstinstanzliches Urteil vom Landgericht Mosbach vom 29.6.2004 (Aktenzeichen 4 O 74/03 KfH). Es wurde Berufung eingelegt, aber, soweit der Verfasser informiert worden ist, wurde die Sache mit einem Vergleich beendet. Der Käufer hatte EXW Incoterms („ex works“, „ab Werk“) tief gefrorene Schweineschwarten gegen Vorkasse gekauft. Die Ware wurde von einem dazu beauftragten Frachtführer für Beförderung nach Russland abgeholt. Der Russische Zoll stellte fest, dass die Beschaffenheit der Ware eine andere war, als in den Begleitdokumenten beschrieben. Und tatsächlich, es stellte sich heraus, dass der Verkäufer dem Frachtführer eine andere Art von Hühnerfleisch mitgegeben hatte als bestellt. Wegen dieser Unstimmigkeit wurde die Ware beschlagnahmt und vernichtet. Der Käufer machte beim Landgericht gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und weiteren Schadensersatz geltend. Das Landgericht wies die Forderung mit unter anderemfolgender Begründung ab . Da ab Werk gekauft wurde, hätte der Käufer bereits im Werk des Verkäufer die Beschaffenheit der Ware überprüfen müssen. Der Käufer hätte mit der Überprüfung nicht warten dürfen bis die Ware in Russland vom Frachtführer besorgt würde. Aus dem vereinbarten EXW Incoterms wäre abzuleiten, dass die Parteien eine Lieferung im Werk des Verkäufers beabsichtigt hätten und somit dort auch der Käufer die Beschaffenheit der Ware hätte überprüfen müssen. Einem Transportrechtler mag diese Begründung unsinnig vorkommen. Sie überzeugt auch nicht, insoweit sie ausschließlich auf die Lieferungsbedingung EXW stützt. Aber warum? Der Gedanke des Landgericht, dass EXW bedeutet, dass die Überprüfung im Werk des Verkäufers zu erfolgen hat, lässt sich gar nicht so einfach widerlegen. Die Schwierigkeit liegt vor allem in der Doppeldeutung des Begriffs Lieferung und die Positionierung und Abgrenzung der Lieferbedingungen im Niemandsland zwischen Kaufvertrag und Transportvertrag.
„EXW“ („ex works“) ist eine der 13 in den „Incoterms“ zusammengestellten, international gebräuchlichen Handelsklauseln, die von der der Internationalen Handelskammer in Paris (www.iccwbo.org/incoterms) festgelegt wurden. Die Incoterms wurden 1936 zuerst festgeschrieben um danach regelmäßig den Bedürfnissen des Handelsverkehrs angepasst und ergänzt zu werden, zuletzt 1999 unter dem Namen „Incoterms 2000“. Ziel der Incoterms ist es, die in den verschiedenen Ländern zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Lieferklauseln zu vereinheitlichen und selbständige, von den nationalen, regionalen und branchenüblichen Handelsbräuchen unabhängige Lieferklauseln zu schaffen. Die Incoterms sind Klauseln, die für einen spezifischen Zweck geschaffen worden sind, nämlich die Pflichten und Risiken hinsichtlich des Transportes der verkauften Ware unter den Vertragsparteien zu verteilen: Sie bestimmen darüber wer - der Verkäufer oder der Käufer - das Transportrisiko trägt, wer den Transport organisiert, wer die Transportkosten zahlt, wer die Transportversicherung abschließt und schließlich wer die Waren verzollt.
Incoterms sind nach ihrem Zweck und dem Parteiwillen international einheitlich auszulegen. Alle nicht in den Incoterms geregelte Fragen wie Vertragsabschluß, Leistungsstörungen, Zahlungsabwicklung und Eigentumsübergang bestimmen sich nach dem auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Recht.
Eine nach den Incoterms getroffene Vereinbarung beinhaltet nur die Bedeutung, die ihr von dem Regel- und Auslegungswerk der Internationalen Handelskammer explizit zugewiesen wurde und macht keine Aussage über einen darüber hinausgehenden Parteiwillen. Die Ausklammerung einer jeden anderen Subsumierung oder Rechtsfolge ist gerade Ziel und Sinn der Incoterms. Es dürfen keine Rückschlüsse bezüglich des Parteiwillen gezogen werden, die über den Zweck und Sinn der gewählten Incoterms hinausgehen. Die Incoterms wurden ausdrücklich dafür geschaffen, Rechtsunsicherheit verursachenden Rückschlüssen vorzubeugen.
EXW bedeutet, dass der Verkäufer die Ware in seinem Lager für die Abholung durch einen vom Käufer beauftragten Frachtführer bereitstellt. Der Frachtführer überprüft, ob die Ware diejenige ist, zu deren Beförderung er beauftragt wurde. Wenn er beauftragt wurde z.B. 100 Kartons mit einem bestimmten Gewicht zu befördern, dann wird er die Zahl und das Gewicht der Kartons überprüfen. Er wird die Unversehrtheit der Kartons überprüfen und wenn eine Beschädigung vorliegt, wird er diese Beschädigung auf dem Frachtbrief vermerken. Der Frachtführer ist nicht dazu gehalten, die Kartons auf zumachen, um die Art und Beschaffenheit der zu befördernden Handelsware zu überprüfen. Er hat keine Rechte, Pflichte oder Obliegenheiten aus dem Kaufvertrag, auch nicht als Erfüllungsgehilfe seines Auftraggebers. Der Auftrag des Frachtführers besteht darin, die Ware in demselben Zustand auszuliefern, in dem er sie erhalten hat. Dazu muss er auch Anweisungen, die ihm vom Verkäufer oder Käufer gegeben worden sind, befolgen, etwa die Ware mit einer Temperatur von z.B. –15 Grad Celsius transportieren. Wenn die Ware vom Frachtführer in einem beschädigten Zustand an den Käufer geliefert wird, haftet er, es sei denn, er kann nachweisen, dass zum Beispiel die Beschädigung nicht durch den Transport entstanden ist. Es ist nicht die Aufgabe des Frachtführers, die Erfüllung der Pflichten des Verkäufers und des Käufers aus dem Kaufvertrag zu überprüfen. Der Frachtführer soll die Fakten überprüfen, die ihn in die Lage versetzen, seinen Transportauftrag ordnungsgemäß zu erfüllen und eventuelle äußerlich erkennbare Schäden bei Beladung aufzuzeichnen, damit diese von Transportschäden abgegrenzt werden können.
„Delivery“ (Lieferung), wie dieser Begriff in den Incoterms als Benennung der tatsächlichen, physischen Lieferung verwendet wird, soll nicht mit dem kaufrechtlichen Begriff „Lieferung“ verwechselt werden. Die Incoterms befassen sich ausdrücklich nicht mit dem Wo, Wann, Wie der Lieferung im kaufrechtlichen Sinne. Die Incoterms legen fest, wer ab wann welche Risiken und Kosten in Zusammenhang mit der Ortsänderung der Ware trägt. Die Incoterms knüpfen dabei an die tatsächliche Bewegung der Ware an. Auf Seite 9 der Einleitung der Incoterms 2000 ist dieser Grundsatz von der Internationalen Handelskammer wie folgt ausgedrückt: When it is said in this context that the buyer must “accept delivery“, this does not mean that the buyer has accepted the goods as conforming with the contract of sale, but only that he has accepted that the seller has performed his obligation to hand the goods over for carriage in accordance with the contract of carriage which he has to make under the A3 a) clauses of the “C”-terms. So, if the buyer upon receipt of the goods at destination were to find that the goods did not conform to the stipulations in the contract of sale, he would be able to use any remedies which the contract of sale and the applicable law gave him against the seller, matters which, as already has been mentioned, lie entirely outside the scope of Incoterms.
(Übersetzung: Wenn in diesem Kontext gesagt wird, dass der Käufer die Lieferung akzeptiert hat, heißt das nicht, dass der Käufer die Ware als mit dem Kaufvertrag übereinstimmend genehmigt hat, sondern nur dass der Verkäufer seiner Pflicht, die Ware zur Beförderung zu übergeben, in Übereinstimmung mit dem Beförderungsvertrag, den er gemäß der Klausel A3 a) Klauseln der Gruppe C abzuschließen hat, erfüllt hat. Wenn der Käufer beim Empfang der Ware am Zielort also feststellt, dass sie nicht mit den Bedingungen des Kaufvertrags übereinstimmt, stehen ihm alle aus Vertrag und anwendbarem Recht bestehenden Ansprüche gegen den Verkäufer zu, die – wie bereits ausgeführt – gänzlich außerhalb des Anwendungsbereiches der Incoterms liegen. Lieferung im Sinne der Incoterms, bewirkt keine Lieferung im Sinne des Kaufrechts.
Incoterms werden zwar im Kaufvertrag der Parteien vereinbart, berühren aber die eigentliche kaufrechtliche Beziehung nicht. Insbesonder berühren Incoterms in keinerlei Weise das Recht der Leistungsstörungen. Die entschiedene Abgrenzung zu den kaufrechtlichen Regelungen geschieht gerade im Hinblick auf den Regelungszweck der Incoterms, nämlich unabhängige, internationale, einheitliche und vorformulierte Klauseln zu bieten, die sich nur und allein auf das Transportrisiko und die Transportkosten beziehen. Überprüfungspflichten oder -obliegenheiten des Käufers können aus den Incoterms nicht hergeleitet werden. 5. Das Urteil Ist das Urteil deshalb falsch und unsinnig? Ich meine schon, dass das Urteil in dem vorliegendem Fall unredlich, praxisfremd und ungerecht ist. Aber es ganz falsch zu bezeichnen, täte dem Urteil Unrecht. Man könnte durchaus zu dem Schluss kommen, dass der Käufer die Ware bereits im Werk des Verkäufers hätte überprüfen müssen. Die Begründung kann sich aber nicht, oder nicht nur, auf die Lieferungsbedingung EXW stützen, sondern muss sich stützen auf den Begriff „Leistungsort“, der den Begriff Lieferungsort umfasst. Das in der Bestimmung des Leistungsorts die Vereinbarung von EXW einen bestimmten Einfluss hat, ist unvermeidbar, trotz der Tatsache, dass die Incoterms ausdrücklich keine Rückschlüsse auf die Kaufrechtliche Vereinbarung zulassen wollen. Wenn für die Bestimmung des Lieferungsort die EXW Lieferbedingung herangezogen wird, dann nur als Begleitargument für Umstände die sowieso bereits auf den Werk des Verkäufers als Leistungsort schließen lassen. Fazit In vielen Fällen mag es nur akademischer Bedeutung sein, dass die Incoterms sich vom Einfluss auf die kaufrechtliche Vereinbarung fernhalten wollen und sollen. Ich hoffe jedoch, dass dieser Aufsatz dazu beiträgt, dass klare Grenzen zurückkehren, dort wo in der täglichen Praxis einiges zu verwässern droht. Mr Murk Muller, Rechtsanwalt und Advocaat, Berlin/Rotterdam
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